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Muster-Widerrufsbelehrung 2014: Zahlreiche Unstimmigkeiten und Fehler

von Thomas Nuthmann | veröffentlicht: 31. Oktober 2013

Am 13. Juni 2014 ist es wieder einmal soweit. Eine neue Version der Muster-Widerrufs­belehrung tritt in Kraft. Der neue Text entstammt der EU-Verbraucher­rechte­richtlinie, die zum oben genannten Datum umgesetzt wird. Wie schon in der Vergangenheit ist es auch diesmal dem Gesetzgeber nicht gelungen, die Muster-Widerrufs­belehrung fehlerfrei und in ihren Umsetzungsanweisungen durchweg schlüssig zu gestalten. Wohl auch aufgrund von Übersetzungs­problemen finden sich zahlreiche Ungereimtheiten in den Texten. Das beginnt schon bei den Überschriften.

Die neuen Texte sind in der EU-Verbraucher­rechte­richtlinie jeweils mit "Muster-Widerrufs­belehrung" und "Muster-Widerrufs­formular" überschrieben. Der deutsche Gesetzgeber hat dies im Zuge der Umsetzung in das deutsche Recht bei der Widerrufsbelehrung in "Widerrufsbelehrung" geändert. Das macht auch Sinn, denn die Musterbelehrung soll ja im Ergebnis einen direkt verwendbaren Belehrungstext ergeben und dem Verbraucher soll schließlich eine Widerrufsbelehrung und keine Muster-Widerrufs­belehrung übermittelt werden. Warum aber hat der deutsche Gesetzgeber dies dann nicht auch beim Muster-Widerrufsformular so gehandhabt, über das der Unternehmer den Verbraucher zu belehren hat? Auch hier gilt doch, dass der Verbraucher ein Widerrufsformular und kein Muster-Widerrufs­formular erhalten soll.

Setzt man die Muster-Widerrufs­belehrung wortgetreu um - was vom Gesetzgeber gewollt ist und mit Rechtssicherheit belohnt wird - stößt man zudem auf seltsame Formulierungen, unnötige Dopplungen und sogar rechtlich zweifelhafte Angaben. Hinzu kommt, dass ein hanebüchener Schreibfehler die Auslegung und Handhabung zusätzlich erschwert.

Repetitives Lernen

Schon die ersten beiden Sätze

"Sie haben das Recht, binnen vierzehn Tagen ohne Angabe von Gründen diesen Vertrag zu widerrufen. Die Widerrufsfrist beträgt vierzehn Tage ab..."

sind keine sprach­ästhetische Meister­leistung. Es ist kein Grund dafür erkennbar, weshalb die Widerrufsfrist gleich in beiden Sätzen genannt wird. Hier hätten ganze 22 Zeichen problemlos eingespart werden können. Sprachlich hätte der Text davon sogar noch profitiert.

Der Frust mit der Frist

Im zweiten Satz geht es gleich weiter, denn dort wird der Lauf der Widerrufsfrist in rechtlich zweifelhafter Weise beschrieben. Nach dem Mustertext beträgt die Widerrufsfrist 14 Tage ab dem Tag des Vertragsschlusses bzw. der Inbesitznahme der Ware. Präzise ist das nicht, denn nach § 187 Abs. 1 BGB wird der Tag des Vertragsschlusses bzw. der Inbesitznahme bei der Fristberechnung nicht mitgerechnet. Die Widerrufsfrist endet daher tatsächlich erst 14 Tage nach dem Tag des Vertragsschlusses bzw. der Inbesitznahme. Dass ein solcher Fristlauf auch tatsächlich gewollt ist, ergibt sich aus den Erwägungsgründen der EU-Richtlinie. Mit viel gutem Willen kann man hier dem Gesetzgeber aber noch zugutehalten, dass er mit seiner Formulierung lediglich den Zeitpunkt des für die Fristberechnung maßgeblichen Ereignisses benennen wollte, ohne eine Aussage zur Fristberechnung selbst zu treffen. Ob das aber auch der Verbraucher so versteht?

Problematischer ist, dass auch über die Voraussetzungen für den Fristbeginn nicht korrekt belehrt wird. Nach deutschem Recht beginnt die Widerrufsfrist nämlich nicht in jedem Fall mit Vertragsschluss bzw. der Inbesitznahme der Ware zu laufen. Weitere Voraussetzung ist die Belehrung des Verbrauchers über die Bedingungen, die Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrecht sowie über das Muster-Widerrufs­formular (vgl. § 356 Abs. 3 BGB n. F. i. V. m. Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EGBGB n. F.). Erfolgt z. B. die Belehrung im Falle eines Warenkaufs erst nach Lieferung der Ware, beginnt die Widerrufsfrist auch erst entsprechend später zu laufen. Hierüber wird der Verbraucher nicht aufgeklärt. Die unglaubliche Folge: bei Verwendung der Muster-Widerrufs­belehrung würde die Widerrufsfrist grundsätzlich nicht zu laufen beginnen, weil darin nicht korrekt über die Widerrufsfrist informiert wird. Dies wird nur dadurch verhindert, dass das Gesetz die Informationspflichten bei Verwendung der Muster-Widerrufsbelehrung ausdrücklich für erfüllt erklärt. Besonders traurig ist, dass sich der deutsche Gesetzgeber dieses Problem ganz ohne Not eingehandelt hat. Er hat schlicht die Richtlinie nicht korrekt umgesetzt, nach der die Belehrung über das Widerrufsrecht gerade nicht Voraussetzung für den Fristbeginn ist, sondern nur Einfluss auf den Ablauf der Frist hat.

Mehrmalige Abholung?

Eher kurios wird es bei bestimmten Haustürgeschäften (neu: "außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen"). Will man für Haustürgeschäfte über Waren belehren, die nicht normal mit der Post versandt werden können und die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zur Wohnung des Verbrauchers geliefert wurden, ist der Satz "Wir holen die Waren auf unsere Kosten ab." in den Belehrungstext einzufügen und zwar unmittelbar nach dem Satz "Wir holen die Waren ab.", der ebenfalls einzufügen ist, wenn man sich sklavisch an die Ausfüllanweisungen hält. Nun gebietet zwar der gesunde Menschenverstand, den ersten Abholhinweis zu streichen. Man hätte aber wohl erwarten dürfen, dass bereits der Gesetzgeber dies bei den Ausfüll­anweisungen berücksichtigt.

Lieferung von Wasser als Dienstleistung

Ist die Lieferung von Wasser (oder Strom, Gas oder Fernwärme) Vertrags­gegenstand, kann folgender Satz notwendig sein:

"Haben Sie verlangt, dass die Lieferung von Wasser während der Widerrufs­frist beginnen soll, so haben Sie uns einen angemessenen Betrag zu zahlen, der dem Anteil der bis zu dem Zeitpunkt, zu dem Sie uns von der Ausübung des Widerrufsrechts hinsichtlich dieses Vertrags unterrichten, bereits erbrachten Dienstleistungen im Vergleich zum Gesamtumfang der im Vertrag vorgesehenen Dienstleistungen entspricht."

Man mag ja darüber streiten können, ob die Lieferung von Wasser, Strom, Gas oder Fernwärme als Lieferung von Waren (im Sinne von "Sachen") qualifiziert werden kann. Eine Dienstleistung ist sie aber sicherlich nicht. Hier ist der Gesetzgeber wohl über die deutsche Sprache gestolpert, denn eine Übersetzung für die neutrale englische Formulierung "what has been provided", die sowohl für das Angebot von Dienstleistungen als auch für die Lieferung von Wasser/­Strom/­Gas/­Fernwärme passt, ist nicht leicht zu finden.

Schön ist übrigens auch der Hinweis "Lieferkosten (mit Ausnahme der zusätzlichen Kosten, die sich daraus ergeben, dass Sie eine andere Art der Lieferung als die von uns angebotene, günstigste Standardlieferung gewählt haben)", wenn es um die Lieferung von Wasser, Strom, Gas oder Fernwärme geht. Auch bei Dienstleistungen macht diese Angabe keinen Sinn.

Geschätzte Höchstbeträge

Verkauft man Speditionsware, wird man ggf. mit der Frage konfrontiert, wie man eigentlich einen Höchstbetrag schätzen soll, denn in dieser Form sind die Rücksende­kosten anzugeben. "Höchstens" und "etwa" schließen sich aber nach allgemeinem Sprachverständnis aus, denn mit "höchstens" soll ja gerade das absolute Maximum einer möglichen Kostenspanne bezeichnet werden.

Punkt, Punkt, Komma, Strich

So richtig verzwickt wird es aber, wenn völlig unklar bleibt, wie der Gesetzgeber sich die Sache vorstellt. Dies ist der Fall, wenn die Rücksendung oder Rückgabe der Ware (auch) an einen Beauftragten möglich sein soll. Die Muster-Widerrufs­belehrung sieht insoweit folgende Formulierung vor:

"Sie haben die Waren unverzüglich und in jedem Fall spätestens binnen vierzehn Tagen ab dem Tag, an dem Sie uns über den Widerruf dieses Vertrags unterrichten, an ... uns oder an [hier sind gegebenenfalls der Name und die Anschrift der von Ihnen zur Entgegennahme der Waren ermächtigten Person einzufügen] zurückzusenden oder zu übergeben."

Doch was ist hier gemeint? Kann der Unternehmer wahlweise die Rücksendung an "sich" oder an einen Dritten verlangen? Oder ist auch bei Einbeziehung eines Dritte immer auch die Rücksendung an den Unternehmer möglich? Für die erstgenannte Auslegung sprächen die vor dem "uns" eingefügten Punkte, denn offenbar soll der Text schon nach dem "an" flexibel sein. Schaut man sich jedoch die englische Sprachfassung der Richtlinie an, wird schnell klar, dass hier offenbar ein simpler Schreibfehler vorliegt, denn dort finden sich die drei Punkte erst hinter dem "us" ("to us or ... [insert the name and geographical address, where applicable, of the person authorised by you to receive the goods]"). Das gilt auch für die anderen Sprachfassungen und nur so macht der Mustertext auch tatsächlich Sinn. Wie kann man aber Unternehmen kostenpflichtigen Abmahnungen für jeden kleinsten Fehler in der Widerrufs­belehrung aussetzen, wenn es der Gesetz­geber nicht einmal selbst schafft, trotz eines aufwendigen Gesetz­gebungs­verfahren und unzähliger berufener Blicke auf den Text einen solchen Fehler zu vermeiden?

Formulare, Formulare

Nur am Rande sei noch auf das neue Muster-Widerrufs­formular hingewiesen, das künftig der Widerrufsbelehrung beizufügen ist. Hier schaut man schlicht ratlos aufs Papier und fragt sich, ob der Gesetzgeber das wirklich ernst meinen kann. Sich auszumalen, wie dieses "Formular" in der Praxis sinnvoll eingesetzt werden soll, läuft auf ein munteres Ratespiel hinaus. Legt man es dem Verbraucher genauso vor, wie es im Gesetz vorgesehen ist, wird man wohl kaum mehr als fragende Blicke ernten. Wie soll das dem Verbraucher konkret weiterhelfen?

Fazit

Den mit einem Übermaß an Informationspflichten belasteten Unternehmer durch Musterbelehrungstexte Rechtssicherheit zu gewähren, ist grundsätzlich eine gute Idee. Warum nur scheint die fehlerfreie Umsetzung in der Praxis so schwer zu sein? Wenn schon den Unternehmern höchste Präzision abverlangt wird, sollte doch auch der Gesetzgeber die gebotene Sorgfalt bei der Erstellung solcher Texte aufwenden. Auch wenn man aufgrund bestimmter Zwänge vielleicht mit manchen sprachlichen Mängeln leben muss, Übersetzungs- und Schreibfehler sind nur eines - peinlich. Dies gilt natürlich erst recht, wenn diese sogar noch bei der Umsetzung einer Richtlinie unbemerkt bleiben und Eingang in die deutschen Gesetze finden.


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